Mitte der 90er Jahre machte sich ein niederländischer Stehgeiger mit einem französisch anmutenden Namen auf, die Menschen auch in Deutschland (wieder) für den Dreivierteltakt zu begeistern. Nur wenige wollten zunächst daran glauben, das es diesem André Rieu tatsächlich gelingen könnte, den Erfolg, den er damals bereits in Holland hatte, hierzulande zu wiederholen. Mit Wiener Walzern in die Pop-Charts? Nein, wirklich nicht! Und selbst nach dem ersten, sogleich ausverkauften Konzert (in der Hamburger Musikhalle) ahnte niemand, das dieser Mann zusammen mit seinem Johann Strauß Orchester eine wahrhafte Walzer-Welle über das Land rollen lassen würde: Kein André-Rieu-Konzert, das nicht bis auf den letzten Platz im Zuschauerraum gefüllt wäre, und auch kein Album, das in irgendwelchen Verkaufsregalen Staub ansetzen könnte.

Der durchschlagende Erfolg kam im Fußballstadion. Bei einer Begegnung zwischen Ajax Amsterdam und Bayern München im Jahr 1994 war André Rieu gebeten worden, in der Halbzeitpause zu spielen. Er stimmte den melancholischen "Second Waltz" von Schostakowitsch an - und die Fußballfans sangen und schunkelten sofort mit. Am folgenden Tag sprach man in Holland mehr über den Geiger als über den Ausgang des Spiels. Ajax hatte gewonnen, André Rieu auch.

Was ist André Rieus Geheimnis? Wieso kann er Fußballfans, junge Leute und "ältere Semester" gleichermaßen mit seiner Musik begeistern? Der Stehgeiger und Orchesterchef André Rieu erklärt das so:

"Ich habe es von Kindheit an bedauert, das es zwischen den Musikern auf der Bühne und dem Publikum einen solch großen Abstand gibt. Diesen versuche ich bei meinen Konzerten zu überbrücken, unter anderem, indem ich mich mit dem Publikum unterhalte, ein wenig plaudere, ein bißchen Spaß mache. So stelle ich den Kontakt zum Publikum her, und die Funken dieser herrlichen Musik springen über."

Als Kind einer großen und musikalischen Familie (der Vater war Dirigent des Limburgischen Sinfonie-Orchesters sowie in späteren Jahren Chef der Leipziger Oper; André Rieus Geschwister sind ebenfalls hervorragende Musiker) wuchs er ausschließlich mit klassischer Musik auf. Sinfonien, Kammermusik und Opern. André Rieu studierte Geige in den Niederlanden u.a. bei Herman Krebbers und am Brüsseler Konservatorium bei André Gertler. Dort bestand er 1977 das Abschlußexamen mit Auszeichnung.

Während seiner Studienzeit am Konservatorium wurde André Rieu einmal gebeten, in einem Salon-Ensemble mitzuspielen. Als er dort zum ersten Mal selbst einen Walzer spielte, tat sich ihm eine neue Welt auf. Der mitreißende Rhythmus des Dreivierteltakts ergriff ihn sofort, und André Rieu entschloss sich, mehr solcher Werke zu spielen.

Rieu vertiefte sich in die Biographien von Komponisten wie Johann Strauß jun. (den er anlässlich dessen 100. Todestages 1999 mit einer CD ehrte) und Franz Lehár und entdeckte, das diese Musik seinerzeit keineswegs nur in den Konzertsälen zu hören war. Johann Strauß etwa spielte vielmehr in Wiener Volksgärten, in vornehmen Etablissements, bei Bällen und in Festsälen, und sein Publikum tanzte, sang und klatschte mit, amüsierte sich.

Am 1. Januar 1988 startete André Rieu mit dem (damals noch viel kleineren) Johann Strauß Orchester seine erste Tournee. Das er zehn Jahre später nicht nur das Publikum in vielen Ländern Europas, sondern sogar in Südamerika und in den USA mit Walzerklängen erfreuen würde, hätte er nicht einmal zu träumen gewagt. Mittlerweile hat der Star-Geiger, der von vielen als der "Walzerkönig der Gegenwart" genannt wird, sein Programm erweitert. Neben Walzern hat er mit seinem Orchester diverse Evergreens vornehmlich aus Operetten einstudiert. Aber auch an Jazziges traut er sich ran. Seine Glenn-Miller-Interpretaion von "In The Mood" zum Beispiel fand bei seinen "Jahrtausendfest"-Konzerten viele Freunde. André Rieu lebt mit seiner Familie in seiner Heimatstadt Maastricht, wo er 1949 geboren wurde. Er ist seit über 25 Jahren mit seiner Frau Marjorie verheiratet. Seine Söhne heißen Marc und Pierre.
 

 

Nach oben